Delmenhorster SK Logo

Delmenhorster Schachklub von 1931 e.V.

Nächstes Derbywunder: DSK - Union Oldenburg

1. MannschaftOberliga
David Höffer

Noch vor drei Monaten hatten wir zum Saisonfinale 2019/21 in Oldenburg gespielt, diese Saison stand das Derby schon am zweiten Spieltag an. Nach dem gelungenen Auftakt in Lehrte konnten wir erneut mit beinah voller Kapelle antreten, einzig an Brett 8 kam mit Thorsten ein Oberliga-Debütant zum Einsatz. Kaum zu glauben, denn Thorsten ist vermutlich schon 30 Jahre oder mehr im Verein, war aber meist festes Mitglied der zweiten Mannschaft. Bei ihm entwickelte sich eine scharfe Partie im Najdorf, die in einer wilden Zeitnotphase gipfelte, in der Thorstens König sich leider als gefährdeter erwies.
Mit unserer Aufstellung waren wir erstaunlicherweise an 7 von 8 Brettern Elo-Favorit – Oldenburg war nicht ganz in Bestbesetzung angetreten. Insgesamt entwickelte sich der Kampf allerdings nicht sehr positiv: Ich geriet an Brett 1 in einen Stellungstyp, der Berthold Wittje sicherlich besser lag und verlor zudem einen Bauern. Florian hatte anfangs mit Schwarz viel Initiative entwickeln können, doch Max Meessen neutralisierte diese und erspielte sich in der Zeitnotphase einen klaren Vorteil fürs Damenendspiel. Bernd und Theis hatten die vorderen Weißbretter Remis gegeben, wobei Theis‘ Eröffnung gegen Marc Schütte dafür sorgte, dass ich erstmal auf die Notation schauen musste. Es stand nämlich so (Diagramm rechts): Weiß war am Zug, das zeigte die Uhr an, aber hat nicht Weiß schon fünf Züge gemacht und Schwarz erst vier? Des Rätsels Lösung war, dass Marc zunächst Lc5 gespielt hatte, dann nach Dg4 Kf8 Dg3 (prophylaktisch gegen d5) den Läufer wieder zurückgezogen hatte, um ihn nach h4 zu bringen. Leider konnte Theis aus diesen Tempoverlusten kein Kapital schlagen und nach Damentausch wurde schnell die Friedenspfeife geraucht.

An den Brettern 5-7 konnten wir zwar hoffen, doch zunächst stand Daniel als größter Favorit solide, aber recht gedrückt und Fred musste sich eines optisch starken Angriffs erwehren. Erik konnte für eine Qualle einige Bauern einsammeln und rückte seine Freibauern mit der Unterstützung des starken Springers vor, wogegen Ernst Heinemanns Türme letztlich nichts ausrichten konnten. Mit der oben erwähnten Niederlage von Thorsten also ein 2:2, bei aber zwei verlorenen Endspielen vorne. Fred hatte zwar den Angriff zurückdrängen können und ein Endspiel mit Läuferpaar gegen L+S erreicht, doch ob daraus ein ganzer Punkt werden könnte? Ein 4:4 schien das größte mögliche Ziel zu sein, auch das aber eher unwahrscheinlich.

Doch in den beiden Endspielen vorne geschah Wundersames: Florian hatte im Damenendspiel zwei Minusbauern und trotzdem einen Bauern zu viel (Diagramm links): Die Dame auf e7 deckt gerade so alle drei Mattdrohungen und könnte sich auf g5 mit Patt opfern, wenn nicht der a6 noch auf dem Brett wäre. Tatsächlich ist es für Weiß schon vorher schief gegangen, denn hier bewertet Stockfish schon mit 0.00! Florian griff (sicherlich ohne Kenntnis der objektiven Bewertung) korrekterweise zum letzten Strohhalm 1…a5!, um nach 2.bxa5 (2.f5 axb4 3.axb4 (sonst gewinnt Schwarz) Dg5+ und Patt) b4! 3.a6 bxa3 4.a7 die Ressource 4…Df8+ zu entkorken, nach 5.Kg5 Dc5+ ist entweder Dauerschach oder Schwarz kann den a7 schlagen, weil Weiß ohne den König auf h6 nicht mehr Matt droht.

Einmal also von der Schippe gesprungen, doch bei mir war die Lage weit hoffnungsloser: Während Damenendspiele ja auch mit zwei Minusbauern immer Hoffnung bieten, ist das im Turmendspiel eher selten der Fall (Diagramm rechts). Nach einem bis dahin technisch sehr stark geführten Endspiel hat Weiß zwei verbundene Freibauern am Damenflügel und noch einen beim König. Doch der schwarze Freibauer auf d4 hat dank der schwer zugänglichen d-Linie auch einiges an Gewicht… Weiß gewinnt hier noch mit verschiedenen Zügen, zum Beispiel dem natürlichen 49.a4 oder dem weit weniger natürlichen 49.a3!? Nicht gewinnen konnte er aber mit 49.Kg5?, was nicht so sehr an dem hiermit verschenkten Tempo liegt (das wäre bei a3 ja auch der Fall), sondern an einem weiteren Tempo, das dadurch gleich notwendig wird: Es folgte 49…d4 50.Ta4 d3 51.Td4 d2 52.a4 Ke6 und nun droht Schwarz den Schwenk Tf5+-d5, weshalb Weiß nicht ohne 53.g4 auskommt. Danach wiegt mein einer Bauer tatsächlich die drei weißen auf: 53…Ke5 54.Td8 Ke4 55.a5 Ke3 56.a6 Tf1! und nun ist der weiße Bauer zu langsam (a7 Ta1) und wenn sich der weiße Turm für den Freibauern opfert, sammelt Schwarz alle Bauern rechtzeitig zum Remis ein. Stattdessen fand Berthold noch passend zum Thema von Brett 3 das Damenendspiel mittels 57.Te8+ Kf2 58.Tf8+ Ke2 59.Txf1 Kxf1 60.a7 d1D 61.a8D, doch gegen die Dame in der Ecke ist das Dauerschach keine Zauberkunst, man muss nur fast immer die alte Regel beherzigen, Diagonalschachs zu geben und nicht gierig nach einem der Bauern greifen. Auch hier also Remis (3:3), so dass Daniel und Fred nun ohne großen Druck nach dem Mannschaftssieg greifen konnten. Während Fred in einem gleichfarbigen Läuferendspiel Remis geben musste, machte Daniel das, was der erfahrene Beobachter schon lange vermutet hatte: Aus seiner soliden Stellung suchte er sich langsam, aber sicher eine schöne Springerroute, brachte seine Figuren nach vorne und konnte irgendwann in ein vorteilhaftes Endspiel mit zwei Leichtfiguren gegen einen Turm abwickeln, das er letztlich gewann.

An dieser Stelle sollten natürlich auch noch Einblicke in die beiden Gewinnpartien zu finden sein, aber Daniel kann nach eigener Aussage „weder seine Notation lesen noch eine Stellung aufbauen“ und beide Partien waren vom Platz des Berichterstatters nicht so gut zu sehen wie Florians, so dass sich nur ein diffuses Bild eingebrannt hat.

Dank der am ersten Spieltag verschobenen Begegnung des haushohen Saisonfavoriten HSK Lister Turm sonnen wir uns nach zwei Spieltagen souverän an der Tabellenspitze. Weiße Weste, zwei Punkte Vorsprung und gegen den Tabellenzweiten (Oldenburg) sogar schon gewonnen – wir dürften kaum noch abzufangen sein.